feld für kunst:

Der Verein wandelt leerstehende Gewerbeflächen in Kunsträume um und nutzt sie temporär zur Vermittlung zeitgenössischer Kunst.





feld #5: Wo der Krieg wohnt

 

Vom 6. Juni bis 18. Juli 2008 geht feld für kunst in fünf Veranstaltungsreihen mit Vorträgen, Performances, Installationen und Interventionen im städtischen Raum Hamburgs der Frage nach Wo der Krieg wohnt.

 

Am 25. Juni 2008 wird das Internationale Maritime Museum in Hamburg eröffnet. Im Zuge von Imageaufwertung und Eventpolitik überlässt die Stadt Hamburg die Deutung und Darstellung von Krieg und Seefahrt einem privaten Militariasammler und unterstützt ihn dabei mit öffentlichen Geldern.

feld für kunst nimmt dies zum Anlass, den Krieg, insbesondere den Krieg auf den Meeren, in seiner geschichtlichen und gesellschaftlichen Dimension auf künstlerische Weise zu beleuchten. Im Mittelpunkt steht der Mensch und sein Verhältnis zum Krieg: was sind die Ursachen und das Wesen von Gewalt, und in welcher Weise werden Kriegserlebnisse vermittelt und verarbeitet.

In diesem Zusammenhang hinterfragen wir die Strategien von Monopolisierung und Manipulation der Vergangenheit und das Museum als Vermittler einer scheinbar objektiven Geschichtsschreibung.

 

Wer immer bis zu diesem Tage den Sieg davontrug, der marschiert mit in dem Triumphzug, der die heute Herrschenden über die dahinführt, die heute am Boden liegen. Die Beute wird, wie das immer so üblich war, im Triumphzug mitgeführt. Man bezeichnet sie als die Kulturgüter. Sie werden im historischen Materiallisten mit einem distanzierten Betrachter zu rechnen haben. Denn was er an Kulturgütern überblickt, das ist ihm samt und sonders von einer Abkunft, die er nicht ohne Grauen bedenken kann. Es dankt sein Dasein nicht der Mühe der großen Genien, die es geschafft haben, sondern auch der namenlosen Fron ihrer Zeitgenossen. Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein. Und wie es selbst nicht frei ist von Barbarei, so ist es auch der Prozeß der Überlieferung nicht, in der es von dem einen an den anderen gefallen ist. Der historische Materialist rückt daher nach Maßgabe des Möglichen von ihr ab. Er betrachtet es als seine Aufgabe, die Geschichte gegen den Strich zu bürsten.

Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte, Kapitel VII

 

[Programm 2008]

 

 

Internationales Maritimes Museum Hamburg

 

Der Hamburger Senat bewilligte 2004 die Errichtung eines Maritimen Museums unter der Leitung des Militariasammlers Peter Tamm im ehemaligen Kaispeicher B. Eine Evaluierung des materiellen und des historischen Wertes der Sammlung lag nicht vor.

Herr Tamm erhielt 30 Millionen Euro zur Sanierung des Gebäudes Kaispeicher B und darf diesen für die Dauer von 99 Jahren mietfrei nutzen. Die geldwerte Förderung entspricht einem weiteren jährlichen Zuschuss von ca. 2 Mio. Euro.

 

Der Antrag beim Hamburger Senat erfolgte durch die damalige Kultursenatorin Dana Horáková, vormals Angestellte unter Peter Tamm beim Springer-Verlag. Die Parteien stimmten zu, die Grünen enthielten sich der Stimme. Ein Konzept für das Museum lag dem Senat nicht vor. Ein Mitspracherecht der Stadt Hamburg bei der inhaltlichen und formalen Gestaltung war nicht vorgesehen und wurde auch später nicht eingefordert.

 

Den Grundstock der gezeigten Objekte im Internationalen Maritimen Museum bildet die Militaria-Sammlung Peter Tamms, vormals in seinem Haus an der Elbchaussee unter dem Namen Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte ausgestellt. Der ehemalige Geschäftsführer des Springer-Verlags Tamm ist heute Besitzer von 6 Verlagen, darunter der Koehler-Mittler-Verlag – bekannt durch seine Publikationen im Dritten Reich ›Die Verjudung der englischen Oberschicht‹, ›Heldenkämpfe in unseren Kolonien‹ und ›Seegeltung – Weltgeltung‹.

 

Weder Herr Tamm noch seine Assistentin Frau Russalka Nikolov haben sich auf den Gebieten von Geschichtswissenschaft und Museumspädagogik einen Namen gemacht. Herr Tamms politische Ausrichtung und sein Blick auf die Geschichte sind als rechtskonservativ zu bezeichnen. Sein Denken in militärischen Kategorien und engen Freund/Feind-Schemata tragen zur Polarisierung, nicht zur Reflektion und zum intellektuellem Austausch bei.

 

Die Sammlung im Maritimen Museum besteht zu einem erheblichen Teil aus Waffen, Kriegsschiffmodellen (35.000), Uniformen, Seeschlachtenmalerei und sonstigen Marinedevotionalien. Die Präsentation im Museum vermeidet Kritik an den ausgestellten Objekten bzw. an dem historischen Kontext, in dem sie entstanden sind. Opfern von Krieg und Kolonialismus werden nur kürzeste Phrasen gewidmet, dagegen erfahren zu Kriegshelden erhobene Männer wie U-Boot-Kommandant Weddigen und Admiral Schniewind eine breite Würdigung. Auch dem Deutschen Kaiser wird gehuldigt – dabei bleibt sein Verantwortung für das Grauen des Ersten Weltkriegs mit Millionen Toten unerwähnt.

 

Die beschönigende Weise, in der vor allem die deutsche Kriegs- und Rüstungsgeschichte dargestellt ist, würde schon bei einer Privatperson auf erhebliche Kritik stoßen, für ein Internationales Museum, das über einen Zeitraum von 99 Jahren mit staatlichen Geldern in Höhe von ca. 230 Mio. Euro finanziert wird, ist das eine Unmöglichkeit. Geschichtsbilder können eine große Wirkung entfalten; wer an einer friedlichen Welt interessiert ist, muss sich darüber im Klaren sein, wie Krieg und Macht legitimiert werden.

 

feld für kunst/Wo der Krieg wohnt

Hamburg im Juni 2008

www.feldfuerkunst.net

 

 

Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.

Georg Orwell, 1984